Togo – Lieber einen Dollar heute, als zehn morgen

11.11.2010 14:13 von Patrick (Kommentare: 0)

Um Lomé, die Hauptstadt von Togo zu erkunden, tun wir uns wieder mit Viola und Stefan zusammen, wir haben wenig Ahnung, was uns erwartet. Um halb zehn fahren wir mit dem Shuttlebus ins Zentrum, auf einem Parkplatz vor einem Supermarkt überlässt man uns den anstürmenden Verkäufern, selbsternannten Künstlern, Guides usw. Wir flüchten erst mal in den Supermarkt und wälzen die Meute so auf die anderen Touristen ab. Nach einigen Minuten wagen wir uns wieder raus und beginnen mit unserem Rundgang.

 

In den Strassen werden wir hier wieder offensiver bestürmt, man begleitet uns lange und da ich als einziger noch am ehesten französisch spreche, habe ich alle Hände voll zu tun. Einer in meinem Alter – er heisst Jean - ist sehr hartnäckig, er will Schnitzereien und Zeichnungen verkaufen, da fällt mir die rettende Idee ein: Schau, sage ich, wir sind so jung wie du, wir können damit nichts anfangen, aber auf unserem Schiff, da sind viele alte Leute, die sind jetzt auch irgendwo hier in der Stadt und sie sammeln Souvenirs in Massen, das wird ein gutes Geschäft für dich! Ich glaube es kaum, er bedankt sich für den guten Tipp und verschwindet. Von nun an mache ich das immer so!

 

Wir verlieren uns in den Menschenströmen, dazwischen immer wieder hupende Autos, allerlei wird transportiert, meistens auf dem Kopf. Wir wollen diesen Ameisenhaufen fotografieren, was aber nicht sehr beliebt zu sein scheint hier. Wir besichtigen noch eine katholische Kirche, dann entscheiden wir uns zum Fetischmarkt ausserhalb der Stadt zu fahren (Tierkadaver und Voudou-Zubehör, nicht Sexspielzeuge). Überraschenderweise dauert es eine gute Viertelstunde bis wir so etwas wie ein Taxi finden. Wir steigen ein, ich vorne, wo ich nach dem Sicherheitsgurt greife aber nur ins leere fasse. Der Fahrer lächelt entschuldigend, das gäbe es in seinem Auto schon lange nicht mehr.  Daheim in der Schweiz, kümmert es kaum einen in einem Taxi. In diesem Verkehrschaos aber und bei dem Zustand der Autos und Busse, ist es einem nicht gerade wohl. Trotzdem fahren wir los, nur um an der nächsten Tankstelle anzuhalten, wo der Fahrer ironischer weise nach dem Weg fragt. Mit etwas Hilfe klappt es dann doch noch und der Fahrer verspricht zu warten.

 

Am Fetischmarkt werden wir von einer bunt gekleideten Figur begrüsst, offenbar so eine Art Platzwart, aber ein sehr stolzes Exemplar. Er will umgerechnet 44 Dollar von uns haben, damit wir uns hier umsehen und fotografieren können. Da wir in einem Reiseführer gelesen haben, dass ein Eintrittsgeld offenbar wirklich üblich ist, beginnen wir zu verhandeln. Ich biete zehn Dollar für alle, er kehrt mir den Rücken zu. Wir diskutieren eine Weile, ich biete nun 15 Dollar, da wir schon mal hier sind, doch das sei viel zu wenig, die 40 müssten es sein. Wieder diskutieren wir untereinander, lassen uns etwas länger Zeit, dann wende ich mich im Sinne eines letzten Angebots an ihn. Für 20 Dollar lässt er uns nun grosszügig rein, wahrscheinlich ein Wahnsinnspreis - egal. Er ist bemüht, eine wichtige Miene zu machen und erklärt uns all die Tierskelette und Häute, die hier aufeinandergestapelt auf Käufer warten. Man lädt uns dann immerhin zu einer Voudou-Zeremonie ein, durchgeführt allerdings vom Sohn des Voudou-Chefs, da dieser an einem wichtigen Kongress in Benin sei. So sitzen wir also zu viert in einer stickigen Hütte und man besänftigt die Geister oder was auch immer mit einigen Rasseln, das war‘s. Dann will man uns Talismane verkaufen, für die Reise, Gesundheit und Alter, für die Potenz. Andere Kulturen in Ehren, aber das ist wirklich eine einzige Scharlatanerie die sich nur dank dem menschlichen Aberglauben halten kann, der wohl in uns allen irgendwo verwurzelt ist. So verlassen wir die Hütte wieder und machen Fotos von den Schädeln und Kobrahäuten, die zu sehen es aber wert war. Wir rufen unseren Fahrer und wollen zurück, da trifft ein älteres Touristenpaar und ihr „Guide“ ein: Es ist Jean, wir erkennen uns gleich wieder,  der Tipp hat sich tatsächlich bewährt, Handschlag!

 

Nachdem ein vermeintlicher Polizist uns auch noch Geld abknöpfen will, wir ihn aber irgendwie abwimmeln, fahren wir nun zu einem privaten Museum afrikanischer Kunst. Wir verabschieden uns von unserem Fahrer und betreten nun das Musée International du Golfe du Guinée, gegründet vom Ethnologen René David, einem Zürcher! Dieser war wirklich sehr fleissig, über 2000 erlesene Stücke hat er in diesem Museum zusammengetragen, aus den verschiedensten Kulturen Westafrikas. Zufällig treffen wir seine Frau an, eine ziemlich junge und attraktive Togolesin. Wir ergreifen die Chance gleich und stellen uns als Zürcher vor. Sie ist aufrichtig erfreut und lädt uns zu einem Bier im Garten ein und wir plaudern ein bisschen, auf französisch. Man merkt ihr gleich an, dass sie weltgewandt ist. Sie lebt einige Monate des Jahres in der Schweiz, ihr Mann hat an der Rämistrasse in Zürich eine Galerie.

 

Wir fragen Enam – ihr Name bedeutet „Geschenk“ -, welchen Eindruck unser Land auf sie gemacht habe, als sie das erste mal zu Besuch war. Es sei nichts für sie, entgegnet sie sogleich, die Menschen seien sehr verschlossen und hauptsächlich auf ihre Arbeit fokussiert. Doch ist das Eis erst mal gebrochen – sei die Freundschaft dafür umso tiefer. Auch wenn sie zu schätzen wisse, dass in der Schweiz alles seine Ordnung hat, sage ihr das Leben hier mehr zu. Wir glauben in Ghana und auch in Togo eine positive und rasche Entwicklung zu erkennen, sagen wir. Es sei zwar etwas besser geworden, meint sie, aber die Afrikaner hätten einfach eine tief verwurzelte Beziehung zum Leben im Moment. „Frag jeden hier auf der Strasse, ob er lieber heute einen Dollar oder morgen zehn bekommen will. Du wirst immer die selbe Antwort erhalten. Nur der eine Dollar heute, der ist sicher. Was morgen ist, ist ungewiss.“ Mit dieser Mentalität ist es natürlich schwierig, vorausschauend zu handeln.

 

Kurze Zeit später fährt sie uns noch in ihr Geschäft, das Sie im Zentrum betreibt und da ruft zufällig ihr Mann René an. Der 82jährige wurde in einem Zürcher Spital operiert, sie gibt uns das Telefon, er würde sich freuen mit uns zu sprechen. So wechseln wir ein paar Worte, mal deutsche, mal französische, er ist offensichtlich etwas verwirrt aber er scheint sich zu freuen, immerhin.

 

Die Zeit ist um, wir tauschen die Adressen und verabschieden uns, kehren zurück zum Supermarkt. Wir kaufen uns einen Palmwein und erwischen den Shuttlebus noch gerade so. Adieu Togo, du hast uns einen weiteren spannenden Einblick in den schwarzen Kontinenten gewährt!

 

Nur den Palmwein, den können wir wirklich niemandem empfehlen.

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