Im Okavango-Delta

14.02.2011 12:23 von Patrick (Kommentare: 1)

Die Strecke zur Grenze nach Botswana verläuft durch den Mahango Nationalpark, für den wir allerdings kein neues Permit zu kaufen brauchen, solange wir ihn nur durchqueren. Einen raschen Abstecher an den kleinen See wagen wir aber doch noch und werden im Morgenlicht von einer kleinen Herde Zebras begrüsst. Bevor wir aber Gefahr laufen erwischt zu werden, fahren wir wieder zurück auf die Hauptstrasse und dem kleinen Grenzübergang entgegen. Die Ausreise auf namibischer Seite geht sehr schnell von statten und auf der botswanischen Seite werden wir von der wohl freundlichsten Zollbeamtin der Welt begrüsst. Sie bereitet uns nicht nur einen herzlichen Empfang, sondern gibt uns noch zahlreiche Tipps, was wir uns in Botswana anschauen können und welche Strassen zu empfehlen sind. Damit erhalten wir einen hervorragenden ersten Eindruck von Botswana und sind der Meinung, dass Grenzbeamte in aller Welt eine kleine Schulung in lokalem Tourismus erhalten sollten, denn das ist beste Werbung für ein Land.

 

An der ersten Kreuzung nach der Grenze halten wir unter einem Baum und breiten die Karte auf dem Boden aus. Wir möchten einen groben Plan erstellen, wie wir die ungefähr drei Wochen ausfüllen, die uns für Botswana bleiben. Jeder präsentiert seine favorisierten Destinationen und glücklicherweise können wir uns sehr schnell auf einen Kompromiss einigen und die grobe Route festlegen. Wir folgen dem Okavango Delta vorerst auf der westlichen Seite und planen, am morgigen Tag in Maun einzutreffen. Unterwegs wollen wir ein Nachtlager irgendwo in der Nähe des Deltas finden. Ausserdem sollten wir Geld abheben und tanken, doch beides gestaltet sich nicht so einfach. An den ATM können wir mit unseren Karten kein Geld beziehen und tauschen deshalb nur unser restliches namibisches Geld und eine von der Kreuzfahrt verbliebene 100 USD-Note. Für die nötigsten Besorgungen reicht dies aber problemlos und tanken wäre wegen eines Stromausfalls sowieso nicht möglich gewesen. Der Zusatztank würde uns aber trotzdem spielend bis nach Maun bringen.

 

Am späteren Nachmittag beginnen wir mit der Suche nach einem geeigneten Nachtlager und fahren einmal quer durch ein Dorf, um es auf irgend einem obskuren Weg wieder zu verlassen, der schlussendlich in zu tiefem Wasser endet. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als umzukehren und es einige Kilometer weiter vorne nochmals zu versuchen. Hinter dem nächsten Dorf finden wir eine Sandspur und folgen dieser etwa drei Kilometer, immer mit soviel Schwung, um gerade nicht stecken zu bleiben. Da der tiefe Sand nicht zu enden scheint, wollen wir schon aufgeben, doch plötzlich breitet sich vor uns eine herrliche Wiese aus, gesäumt mit kleinen Bauminseln. Dieses Gebiet ist laut GPS zwar zeitweise überflutet, doch wir sind den Wassermassen aus Angola noch ein bis zwei Wochen voraus. Wir fahren durch das halbhohe Gras von einer Bauminsel zur nächsten, bis wir alle mit der Wahl zufrieden sind und uns im Schatten einer Baumgruppe niederlassen.

 

Während Enrico und ich eine tiefe Kuhle graben und ein grosses Feuer entfachen, besuchen uns neugierige Esel und Kühe. Letztere haben sogar Glocken um den Hals, was richtige Heimatgefühle in uns weckt. In der Ferne entdecken wir dann auch den Hirten, der uns zuwinkt und sich ob unserer Anwesenheit aber nicht zu stören scheint. Wir stellen also unsere Stühle mitten in die Wiese, um bei einem Glas Amarula der untergehenden Sonne zuzusehen, während unsere verbliebenen Kudu-Steaks schon über dem Feuer brutzeln.

 

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Bevor wir die Motoren starten, frühstücken wir erst in aller Ruhe und bahnen uns dann den Weg durch den tiefen Sand zurück an die Hauptstrasse, glücklicherweise ohne stecken zu bleiben. Wir haben mehrere hundert Kilometer vor uns, die nur durch sehr wenige Ortschaften führen und lediglich durch Veterinär-Kontrollposten unterbrochen werden, bei denen die Beamten gerne mal einen Blick in unseren Kühlschrank werfen. Unser Tagesziel Maun erreichen wir aber noch am frühen Nachmittag, so dass wir Zeit genug haben, noch ein paar Dinge zu erledigen. Rika passt auf die Wagen auf und Daniela, Enrico und ich spazieren zum Flughafen, wo wir endlich einen ATM finden, an dem wir genügend Geld abheben können. Wir erkundigen uns im lokalen Tourismusbüro ausserdem nach Fahrten ins Okavango-Delta mit einem Mokoro (eine Art Einbaum) und nach Rundflügen über jenes Gebiet. Schliesslich kehren wir zum Parkplatz zurück und während wir Rika von unserer Tour berichten, bemerkt Enrico bei uns den nächsten platten Reifen: Natürlich wieder hinten rechts! Wir schicken die anderen beiden also schon mal vor, weil wir uns erst um den Reifen kümmern müssen. Gleich auf dem Parkplatz pumpen wir ihn nochmals so weit auf wie möglich und rechnen uns mit Luftdruckmesser und Uhr ungefähr zehn Minuten aus, die wir so fahren können, bis es uns den Reifen von der Felge zieht.Wir fahren etwa vier Kilometer in Richtung einer Garage, die es aber leider nicht mehr gibt. Dafür finden wir ein Schild auf dem «Tyre Repair» steht und wir folgen den Markierungen, bis wir exakt zehn Minuten später in einem Hinterhof gleich auf den Montageplatz eingewiesen werden. Etwa zehn Arbeiter flicken hier im Minutentakt Reifen und Schläuche und wir sehen interessiert dabei zu, wie der Reifen mit den wenigen Werkzeugen in knapp zwanzig Minuten repariert ist. Die Reifenwerkstatt wird von einem Weissen geführt der vermutlich genau weiss, was wir in Europa dafür zahlen würden und wir bereiten uns schon mal auf eine hohe Rechnung vor. Aber weit gefehlt: die Reparatur kostet umgerechnet nicht mal drei Franken! Den Arbeitern lassen wir auf Wunsch gerne noch eine Flasche Wasser da und fahren erleichtert zum Sedia Hotel, in dessen Gartenanlage wir sehr günstig campieren können. Etwas überrascht stellen wir fest, dass Rika und Enrico noch gar nicht da sind und genehmigen uns deshalb schon mal ein Savanna und ein Bad im Hotelpool. Als die anderen dann eintreffen, beschliessen wir gemeinsam, eine Fahrt mit dem Mokoro in Okavango-Delta für den nächsten Tag zu buchen. Ausserdem finden wir auf dem Hotelgelände ein Volleyballfeld und damit die perfekte Rechtfertigung dafür, dass Rika einen (stets aufgepumpten) Volleyball von zu Hause bis hier hin chauffiert hat. Wir dreschen den Ball so lange über das Netz bis wir völlig verdreckt und verschwitzt sind und schliesslich die Sonne untergeht. Es fühlt sich gut an, den Körper wieder mal sportlich einzusetzen! Nach der Dusche und einem selbstgemachten Abendessen gehen wir früh ins Bett, um für die Erforschung des Okavango-Delta zu Wasser fit zu sein.

 

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Der Wecker schellt uns um halb sieben morgens aus dem Schlaf und ich bin dankbar, haben wir am Abend zuvor noch unsere Siebensachen zusammengesucht und in den Rucksack gepackt, so kann ich noch ein wenig weiter dösen. Eine halbe Stunde später stehen wir dann aber vor dem Hoteleingang, wo uns unser Chauffeur mit dem Safarifahrzeug schon erwartet und uns freundlich begrüsst. Er erklärt uns den Tagesablauf und wir fahren los, zuerst scheinbar mitten in die Stadt, dann zweigen wir aber ab in den Busch und gelangen nach ungefähr 20 Minuten schon ans Wasser, wo schon einige der Mokoros bereitstehen. Die Mokoros werden zwar traditionell aus besonderen Baumstämmen gefertigt, doch die meisten hier sind aus leichtem Fieberglas gemacht, um die Baumbestände und auch die Kräfte der Poler zu schonen. «Poler» sind hier die Schiffsführer, so wie sie in Venedig Gondoliere heissen. Jedes Mokoro kann zwei Passagiere aufnehmen und so setzen wir uns mit einer einfachen Plastiklehne unter dem Hintern ins enge Boot. Unser junger Poler heisst Limit und er weiss sehr viel über das Okavango-Delta, dessen Tiere und Pflanzen zu erzählen, denn er ist selber im Delta aufgewachsen, lustigerweise übrigens genau in dem Dorf, wo wir auf der Kuhweide campiert hatten. Geschickt stakt er uns voran, zuerst über eine offene Wasserfläche, bald schon aber durch dichtes Schilf, dass uns über Beine, Arme und Gesicht streift. Entgegen Danielas Befürchtungen sammeln wir aber nur wenige, kleine Spinnen dabei auf. Die Perspektive so knapp über der Wasseroberfläche ist einmalig, wir können den gesamten Mikrokosmos in Schilf und Wasser aus nächster Nähe beobachten. Das Wasser ist nur einen halben bis maximal zwei Meter tief und glasklar, es hat sogar Trinkwasserqualität. Die engen Passagen durch das Schilf wechseln sich ab mit kleinen Lichtungen, die gesäumt sind von blühenden Seerosen. Gegen Mittag legen wir an einer Insel an, wo wir unsere Glieder erst mal wieder strecken können. Danach machen wir uns auf, die Insel mit unseren zwei Guides zu Fuss zu erkunden. Wir erhalten dazu zuerst eine Einweisung, wie wir uns verhalten sollen, da wir ja jetzt in der Wildnis sind. So sollen wir unter anderem unseren Guide nicht überholen und von einem Löwen nicht davon rennen. (Vielleicht damit er sich aus dem Staub machen kann). Auf unserer zweistündigen Exkursion begegnen wir aber leider kaum einem grösseren Säugetier, lernen dafür aber etwas über die hiesige Vogelwelt. Als wir dann unter ein paar schattigen Bäumen Rast am Rande der Insel machen, können wir auf einer anderen Insel immerhin eine Herde Zebras am Wasserentdecken. Zu Fuss kommen wir aber nicht näher ran und die Mokoros sind am anderen Ende des Eilands. Nach einer Weile des Beobachtens durch das Fernglas marschieren wir zu unseren Einbäumen zurück und verspeisen hungrig unseren Lunch gleich unter einem sogenannten «Sausage Tree», dessen Früchte wirklich die typische Wurstform aufweisen. Beim Essen bringen wir unseren Guides deutsche Zungenbrecher bei, im Gegenzug demonstrieren sie uns die verschiedenen Klicklaute ihrer Sprache, die wir begrenzt erfolgreich nachzuahmen versuchen.

 

Auf dem Rückweg frage ich Limit, ob er mich später auch mal versuchen lässt, das Mokoro zu steuern und meine damit eigentlich wenn wir zurück sind. Denn ich denke mir, wenn ich alleine mit dem Einbaum unterwegs bin und keine Kamera drin ist, macht es ja auch nichts, wenn ich ins Wasser falle, es ist sowieso warm genug. Doch Limit will, das ich ihn jetzt gleich ablöse, wovon ich eigentlich nicht so begeistert bin, auch wenn ich mir denken kann, dass es vermutlich einfacher ist, solange noch Passagiere im Boot sind. Ich weise Daniela an, im Falle des Kenterns ohne Rücksicht auf andere Verluste einfach die Kamera aus dem Wasser zu strecken. Ich stehe also auf und muss mich erst mal an Limit vorbei nach Hinten bewegen. Limit setzt sich grinsend und ich merke jetzt schon, wie instabil dieser Einbaum ist, wenn man darin steht. Vorsichtig stecke ich den langen Holzstab hinter mir ins Wasser uns stosse ab. Zwei, drei mal geht es gut, dann verliere ich das Gleichgewicht und kann mich gerade noch in die Knie retten. Während Limit noch immer grinst, verrät Danielas Gesichtsausdruck eher etwas Besorgnis. Rika und Enrico, die uns in dem anderen Mokoro folgen, beobachten die Szene amüsiert und filmen die ganze Aktion, nicht ohne Hoffnung auf etwas Action. Das ist aber Anreiz genug für mich, nicht ins Wasser zu fallen und in der Folge klappt es mit dem Gleichgewicht ganz gut. Eine gute Viertelstunde bringe ich uns voran, muss aber immer mal wieder zurücksetzen, weil ich mich im Schilf festgefahren habe. Das Steuern eines Mokoros will eben gelernt sein. Es ist zwar nicht so anstrengend wie ich dachte, allerdings braucht es ziemlich Kraft in den Füssen, um die Schwankungen auszugleichen.

 

Etwa hundert Meter vor der Anlegestelle übernimmt dann Limit wieder, vermutlich damit es vor dem Fahrer nicht so aussieht, als würde er nicht arbeiten. Unsere beiden Poler waren aber echt toll und erst jetzt merken wir, das wir ihnen kein Trinkgeld geben können. Wir schenken ihnen deshalb eine Packung Kekse, die wir noch dabei haben und versprechen, ihnen über unseren Fahrer noch ein kleines Dankeschön zukommen zu lassen. Wir vermuten nämlich, dass die beiden nicht viel von dem Geld sehen, das wir für die Tour im Hotel bezahlt haben.

 

Wir verabschieden uns und fahren zurück zum Hotel und entscheiden uns, diesen Abend im Restaurant zu essen. Die Pfannen-Pizza die ich hier erhalte, ist die bisher beste auf dem Kontinent und bei ein paar Savannas und Kartenspielen lassen wir den Abend ausklingen. Als wir ins Bett gehen, schlafe ich aber nicht so schnell ein, denn in mir beginnt ein Gedanke zu reifen. Ich würde das Okavango Delta zu gerne auch mal noch von oben sehen, was sich mit einem Rundflug von Maun aus gut in Tat umsetzen lassen würde. Und obwohl ich, milde gesagt, nicht gerade begeisterter Flugpassagier bin (über zehnjährige Pause), motiviert mich die Vorstellung eine faszinierende Landschaft von oben zu sehen so sehr, dass ich in meiner Fantasie schon mal starte.

 

Grosse Siege erringt man eben immer erst im Kopf.

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Kommentar von best | 22.03.2011

bin ja gespannt, ob dieser Gedanke zum Sieg führt. Rundflüge über solchen Orten haben mir immer einen ganz besonderen Eindruck über die Grösse und Vielfalt gegeben. Jetzt, wo ich dies schreibe ist es eh schon geschehen oder eben auch nicht.
ich "spanne" mit.

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