Ghana – Land der Kleinunternehmer

10.11.2010 12:30 von Patrick (Kommentare: 0)

Als die Ocean Princess am Pier von Tema anlegt, werden wir im wahrsten Sinne des Wortes mit grossem Tam-Tam  empfangen, bunt gekleidete Tänzer wiegen sich zu den rhythmischen Trommelklängen. Es sind freundliche Gesichter, die uns in Ghana willkommen heissen.

 

Mit einer kleinen Gruppe von zehn Personen brechen wir zu einem besonderen Ausflug auf. Knapp eine Stunde sind wir unterwegs, bis wir die Universität von Accra erreichen. Wir besuchen zuerst den botanischen Garten gleich neben der Universität und staunen über die zahlreichen und mannsgrossen Termitenhügel. Es ist noch früher Vormittag, trotzdem ist es schon sehr heiss und feucht. Man erzählt uns, dass die Studenten hierher kommen würden, um zu lernen oder einfach ihre Gedanken zu sortieren, tatsächlich sitzt immer mal wieder einer unter den Bäumen, vertieft in seine Unterlagen. Unsereins wäre hier wohl höchstens zur Siesta fähig, übrigens etwas, das man in Ghana nicht kennt.

 

Nach dem Spaziergang in diesem schönen Garten begeben wir uns zu einer kleinen Halle auf dem Universitätsgelände. Ein hiesiger Tanzlehrer und drei Musiker begrüssen uns und bringen uns die Trommeln. Mit Hilfe eines kleinen Liedes stellen wir uns vor, jeder singt seinen Namen, unsere kleine Gruppe ist noch etwas scheu. Ich fühle mich zurück versetzt, irgendwo in die Zeit der Primarschule, als Singen noch ein Unterrichtsfach war (meine Note war noch schlechter als diejenige für „Schönschreiben“).

 

Wir lernen nun erste Takte und Trommelschläge und schon bald spielen wir mit unseren Lehrern mit, es macht grossen Spass. Gerade als wir keine Taktfehler mehr machen, werden wir aufgefordert, unsere Schuhe auszuziehen: Es geht zum Tanz. Jetzt trommeln nur noch die Profis, wir stehen ihnen in einer Reihe gegenüber. Sie trommeln für uns, wir tanzen für sie, so ist die Regel. Die ersten Schritte sind einfach, aber der Rhythmus ist schnell, wir müssen uns konzentrieren. Schon nach der ersten Minute sind wir nassgeschwitzt, es wird langsam Mittag und in der Halle ist nur ein einziger Ventilator in Betrieb. Die Studenten schauen und durch Fenster und Türen beim Tanzen zu, neugierig und vor allem belustigt. Eine gute halbe Stunde tanzen wir, bis man sich unserer erbarmt  und wir uns von unseren freundlichen Lehrern verabschieden.

 

Der kleine Bus verlässt Accra nun wieder und biegt in eine Strasse in Richtung Tema. Zu beiden Seiten reihen sich kleine und grössere Geschäfte wie an einer Perlenkette aneinander - über mehrere Kilometer. Wir kommen nicht mehr aus dem Staunen raus, es wird einfach alles mögliche verkauft: Ganze Sitzgruppen stehen da unter freiem Himmel, DVDs und Mobiltelefone in kleinen Holzhütten, dann wieder ein modernes Gebäude in dem tatsächlich Rasenmäher verkauft werden, ein Computerladen, ein einzelner Laubbläser, Früchte, Schmuck und so weiter. Es scheint wirklich, als hätte jeder hier seinen eigenen Laden. (Vor Jahren muss hier ein gigantisches Frachtschiff gestrandet sein und jeder hat eingesammelt was er tragen konnte und verkauft dies noch heute – Etwa so stellen wir es uns vor.)

 

Bevor wir zum Hafen zurückkehren, halten wir noch bei kanekwei, einem kleinen Unternehmen, das Särge in allen möglichen Formen herstellt. Wer es sich leisten kann, wird in einem Sarg auf die letzte Reise geschickt, der seine Haupttätigkeit zu Lebzeiten symbolisiert. So wird ein Fischer in einem Fisch begraben, der Taxifahrer im Taxi usw. Es ist für uns schwierig zu verstehen, dass so viel Geld für eine feierliche Bestattung (es kommt jeweils noch ein ausgiebiges Fest dazu) ausgegeben wird, wo es doch zukunftsorientiert viel besser investiert wäre.

 

Kurz vor dem Hafen sehen wir, wie unzählige Helfer riesige Fischernetze vom Strand aus einholen und wir können unseren Reiseleiter zu einem ausserplanmässigen Stopp überreden. Jung und alt ziehen gleichermassen an den Tauen und holen das Netz Meter für Meter näher. Sie alle sind kurzfristige Helfer, die danach mit einem kleinen Teil des Fangs für ihre Mühe belohnt werden. Wir würden so gerne mithelfen, doch die Zeit drängt und man bringt uns zum Hafen zurück.

 

Es ist nun 14:00 Uhr und es bleiben uns noch gut zwei Stunden, bis die Ocean Princess ausläuft. So nehmen wir uns ein „Privattaxi“ und bitten James, unseren Chauffeur, uns ein wenig durch Tema zu fahren. Asphaltierte Strassen wechseln sich ab mit wellenartigen und von Schlaglöchern gesäumten Wegen, es gibt kaum mehrstöckige Häuser, alles ist sehr weitläufig. Dafür hat jeder etwas zu verkaufen, wir können uns kaum sattsehen an den Schildern, die einen kleinen Coiffeursalon zieren (Universal Hair Solutions) oder den Eisenwarenhändler (Wonderful Jesus Enterprises), es gibt tausende davon. Der Markt in Tema ist dann einfach noch die Verdichtung von alldem, dazu wird überall von der Strasse ins Auto verkauft, Wasser, Nüsse, was immer man benötigen könnte. Auch wenn wir die einzigen Weissen sind und öfters im Stau stehen, bestürmt man uns nicht, man schenkt uns ein Lächeln oder übersieht uns quasi, was uns überrascht.

 

Wir fragen James, ob er uns irgendwohin bringen kann, wo wir zusammen ein Bier trinken können, wir wollen ihn einladen und uns ein wenig mit ihm unterhalten. Er bringt uns zu einem kleinen Restaurant, wo wir unter Palmen anstossen. James trinkt aber keinen Alkohol, trotzdem verliert er ein wenig seine Scheu und so erfahren wir etwas über sein Leben, seine Familie und seine Träume, auch wenn wir von seinem Englisch nur jeden fünften Satz verstehen. Er hat einen kleinen Sohn, der einmal Pfarrer oder Lehrer werden soll. Seine Frau und er kommen gerade so über die Runden. Auch wenn in dieser relativ jungen Demokratie alles friedlich und fröhlich wirkt, es gibt auch hier einige wenige stinkreiche, während die anderen jeden Tag kämpfen. Trotzdem glauben wir in diesem Land eine Aufbruchsstimmung spüren zu können, man tut hier was und keiner liegt auf der faulen Haut.

 

So geht unser Tag in Ghana zu Ende. Wir lassen uns von James die Handynummern geben (ja, er hat deren zwei) und verabschieden uns, vielleicht auf ein andermal. Es war ein kleiner, faszinierender Ausschnitt, gerne hätten wir mehr gesehen.

 

Es bleibt uns die Erinnerung an ein freundliches Land mit herzlichen Menschen und der Chance auf eine bessere Zukunft.

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