Ganvie, Benin – Venedig auf afrikanisch

12.11.2010 11:47 von Patrick (Kommentare: 0)

Es mag vielleicht verwundern, dass eine Kreuzfahrt ermüden kann, aber zwei Landgänge hintereinander lassen kaum Zeit das Gesehene zu verarbeiten, besonders wenn es sich um fremde Kulturen handelt. In Cotonou, Hauptstadt von Benin, haben wir unseren dritten Landgang binnen dreier Tage. Wir schliessen uns der Tour nach Ganvie an, weil uns das Ziel lohnenswert erscheint und unser letzter organisierter Ausflug mit einer Kleingruppe in Ghana ein tolles Erlebnis war.

 

Zu unserem Schrecken jedoch stehen vier Reisecars am Pier bereit, alle mit dem selben Ziel: Ganvie. Das drückt unsere Stimmung etwas, aber wir können ja versuchen, uns die anderen wegzudenken. Busse Nr. 1-3 sind weiss und halbwegs modern, Bus Nr. 4 wäre in der Schweiz ein Museumsstück. Diesem Sarg auf Rädern werden wir zugeteilt, es ist sehr heiss und staubig, aber diese Art von Mobilität hat was, irgendwie. Zumindest für ein kurzes Stück.

 

Wir fahren etwa eine Stunde durch staubige und holprige Strassen, vorbei an Wellblechhütten, dann und wann abgelöst von gigantischen Regierungsgebäuden. Es ist mehr als offensichtlich, wie die Gelder hier verteilt sein müssen. Schliesslich erreichen wir einen kleinen Hafen, wo ein Dutzend Pirogen mit Aussenbordmotor auf uns warten. Mit ihnen setzen wir die 8 Kilometer nach Ganvie über, einem Dorf, dass auf Pfählen erbaut und nur übers Wasser erreichbar ist. Unser Guide spricht nur etwas französisch, ich übersetze mit Daniela für unsere Gruppe das wenige, was er sagt. Ganz vorne sitzend sehe ich plötzlich, wie wir direkt auf ein kleines Fischerboot zusteuern. Ich blicke rüber zum Steuermann – der träumt vor sich hin! «Attention!», rufe ich und in allerletzter Sekunde können wir beidrehen, das kleine Boot einer Frau streifend, die uns erschrocken anstarrt. Das war wohl meine gute Tat für heute.

 

In Ganvie gibt uns der Guide nur 10 Minuten, die wir möglichst im einzigen Souvenirladen des Dorfes auf Stelzen verbringen sollen. Wir sind nicht interessiert, versuchen stattdessen einen Blick hinter die künstliche, touristische Kulisse zu werfen. Das ist nur eingeschränkt möglich, die meisten der Hütten sind nicht miteinander verbunden und nur per Boot erreichbar. Wir sehen Kinder, sehr viele Kinder, sie lächeln und winken, sie betteln. Ein Boot mit zehn Frauen fährt vorüber, sie trommeln mit Holzstöcken auf alten Benzinkanistern, es klingt aber viel besser als es aussieht. Sie spielen für sich und die Kinder, nicht für uns. Eine Schule sehen wir auch noch, es muss eine sein, so viele helle Stimmen, die wir singen hören.

 

Dann drängt uns unser Guide auch schon zurück ins Boot. Er lebt hier und wir haben den Eindruck, dass er froh ist, uns bald wieder los zu sein. Wir fahren die gleiche Strecke wieder zurück, unser Guide ist jetzt sehr wortkarg und wartet nur noch auf das Trinkgeld, was er uns auch sehr direkt zu verstehen gibt. Unterwegs sehen wir einige Fischer, meist auch nur Kinder, die ihre Netze auswerfen und wieder einholen, aber das verschmutzte Wasser gibt kaum mehr einen Fisch preis.

 

Unsere Piroge ist die erste, die wieder am Ufer anlegt und deshalb werden wir von allen bestürmt, man will uns wieder dieses und jenes verkaufen. Es ermüdet und nervt, diese Armut, dieses Betteln und das schlechte Gewissen, weil man die Bettelei und damit die Menschen zeitweise ignorieren muss. Das gehört wohl zu den meisten Teilen Afrikas und wird uns während der ganzen Reise begleiten.

 

Der Rest der Gruppe kehrt nun von Ganvie zurück und da stehen wir jetzt, beinahe einhundert Touristen auf der Sonnenseite des Lebens, mit einem geschnitzten Giraffen unter dem Arm vielleicht, darauf wartend, dass uns der Bus wieder zurück bringt in unsere klimatisierten Kabinen, wo wir uns bei einem Drink erholen können. 

 

Um dieses unangenehme Schamgefühl wegzuspülen, unweigerlicher Bestandteil eines solchen Ausflugs.

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