Entlang der Skeleton Coast nach Swakopmund

01.02.2011 17:32 von Patrick (Kommentare: 0)

Einer wilden Strasse folgend, die uns auf steile Hügel führt und zu ebenso rasanten Abfahrten verleitet, fahren wir nach Sesfontein. Wie ein Skifahrer versuchen wir jeweils so viel Schwund in der Schussfahrt mitzunehmen, damit es im selben Gang wieder über die nächste Anhöhe reicht. Ein amüsantes Spiel, das uns die Strecke kürzer erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist.

 

Ab Sesfontein sind die Pisten wieder ruhiger und hier und da taucht auch wieder eine Siedlung am Strassenrand auf. Am späteren Nachmittag erreichen wir den Skeleton Coast National Park, der sich über mehrere hundert Kilometer entlang der Küste zieht, wobei nur ein relativ kleiner Teil davon für Besucher zugänglich ist. Wir freuen uns, das Meer wieder zu sehen und erwarten in Torra Bay einen idyllischen Campingplatz am Strand. Als wir am frühen Abend hier ankommen, platzt unser Luftschloss aber leider. Denn Torra Bay besteht nur aus dem Campingplatz und wird fast ausschliesslich von dickbäuchigen Anglern besucht, die nicht nur am Nachmittag schon unglaublich betrunken sind, sondern zwecks Kühlung ihrer Fische auch noch den ganzen Tag Dieselgeneratoren laufen lassen. Um es kurz zu machen: Es ist bislang der mieseste Ort, an dem wir auf unserer Reise übernachten. Eine andere Wahl haben wir allerdings nicht, es gibt im Nationalpark keine weiteren Camps und wildes Campieren ist wie in allen Nationalparks streng verboten. Glücklicherweise gilt aber auch hier die Nachtruhe und bis um 22:00 Uhr endlich die dreissig lärmenden Generatoren verstummen, vertreiben wir uns die Zeit mit ein paar Filmen auf dem Laptop. Beim Einschlafen dann, kann man sogar die Wellen rauschen hören und die Welt ist wieder in Ordnung.

 

Weil uns in Torra Bay aber nichts hält, machen wir uns mit dem Sonnenaufgang schon auf den Weg entlang der Küste Richtung Süden. Die Skelettküste heisst übrigens deshalb so, weil entlang dem Strand zahlreiche Schiffswracks zu sehen sind. Wer hier einst strandete, hatte nichts zu lachen, denn wer sich aus den Fluten retten konnte, stand nun einer unüberwindbaren Wüste gegenüber, in der Trinkwasser und Nahrung kaum zu finden sind. Zwischen Wüste und Meer gefangen, war das Schicksal der Schiffbrüchigen zweifellos besiegelt. (Es gibt eine sehenswerte TV-Serie mit Bear Grills, die für den Discovery Channel produziert wurde. In einer Folge wird der Überlebenskünstler genau vor dieser Küste ins Meer geworfen und zeigt eindrücklich, wie man eben doch überleben kann).

 

Der frühe Aufbruch hat sich gelohnt, denn wir sehen gleich fünf Schakale aus kürzester Distanz und können sie eine Weile beobachten. Zusammen mit einzelnen Robben die sich zwischen den Wellen kurz zeigen, sind dies aber die einzigen Tiere, die wir in diesem Park zu sehen bekommen. Wir finden dafür einige der erwähnten Schiffswracks, die faszinierendste Entdeckung ist aber eine ganze Ölbohrplattform, die mittlerweile gut einen Kilometer im Landesinnern vor sich hin rostet. Der Bohrturm ist umgestürzt und lässt sich gut untersuchen, sogar die Bohrstangen liegen noch da. Das ganze ist ein riesiges von Menschenhand geschaffenes Ungetüm, vermutlich einst der Stolz eines Unternehmens, dass nun von nichts anderem als Salz, Sand und Wind langsam aber unaufhaltsam zersetzt wird.

 

Als wir von der Besichtigung eines weiteren Schiffswracks zurück kehren, begrüsst uns unser Auto zum zweiten Mal mit einem platten Reifen. Bevor wir wie geplant hier frühstücken können, wechseln wir zuerst das Rad, uns fragend, warum wir uns auf den einfachen Pisten zwei Platten holen, während bei den Offroad-Strecken mit den spitzen Felsen bislang nichts dergleichen passiert ist. Dazu kommt, dass es wieder der Reifen hinten rechts ist. Das müssen wir wohl im Auge behalten.

 

200 Kilometer später verlassen wir den Nationalpark, aber die Mischung aus Meer, Salz und Sand, trostlos und faszinierend zugleich, begleitet uns noch eine ganze Weile. Kurz vor Hentiesbai besuchen wir eine gigantische Robbenkolonie, es ist einer der grössten Brutplätze für Seelöwen überhaupt. Wir beobachten, wie die kleinsten Robben an Land kommen wollen und mehrmals versuchen, auf den Felsen Halt zu finden, dann aber von der rückläufigen Welle wieder ins Meer zurück gespült werden. Und wenn sie es dann endlich schaffen, wartet schon die nächste Aufgabe: Unter tausenden für uns fast identisch aussehenden Robben, müssen sie nun ihre Mutter finden und es scheint so, als gelinge dies nicht allen. Die Luft ist durchtränkt vom salzig-fischigen Gestank und die einzelnen Rufe von Jungtieren und Eltern verschmelzen zu einem permanenten Röhren.

 

Von Hentiesbai ist es nicht mehr weit bis nach Swakopmund, wo wir zwei Wochen zuvor schon waren. Nach den schönen Tagen in einer der schwer zugänglichen Gegenden Namibias, freuen wir uns, nochmals hier Halt machen zu können. Nur zum Vergnügen sind wir allerdings nicht hier: Unserem treuen Auto wollen wir einen Service und neue Reifen gönnen, ein paar Werkzeuge kaufen und uns nach einem neuen High-Lift umsehen. Die Toyota-Garage ist leider für eine ganze Woche ausgebucht, immerhin erhalten wir aber den Tipp, wo wir eine andere zuverlässige Garage finden können. Kurzerhand vereinbaren wir dort einen Termin für den nächsten Tag und haben damit unsere heutige Pflichtaufgabe schneller erfüllt als gedacht. Als Belohnung gönnen wir uns am Abend ein typisches namibisches Dinner im Restaurant: Einen köstlichen Kingklip an Limonensauce mit Reis, begleitet von einem Windhoek Draught.

 

Noch etwas verschlafen bringen wir am nächsten Morgen um 8.00 Uhr unser Auto in die Garage. Die Mechaniker erscheinen uns vertrauenerweckend, weshalb wir den Toyota mit all unseren Sachen hier lassen und uns zu Fuss auf den Weg zurück ins Zentrum machen, wo wir die Zeit erst einmal für ein herzhaftes Frühstück nutzen.Während den nächsten Stunden schmökern wir ein wenig in der Buchhandlung, suchen und finden einen neuen High-Lift und buchen für den nächsten Tag einen Sandboarding-Ausflug in den Dünen. Kurz vor Mittag machen wir uns auf den Weg zurück zur Auto-Fix-Garage und witzeln ein wenig darüber, dass wir den Toyota womöglich völlig leergeräumt oder am Ende gar nicht mehr vorfinden werden. Dieses Szenario bestätigt sich zum Glück aber nicht und wir können unser Auto nach einer kurzen Wartezeit wieder entgegen nehmen. Die Mechaniker attestieren dem Landcruiser einen tadellosen Zustand und auch unsere Ersatzteile, Werkzeuge und Alkoholvorräte sind noch alle da. Den Rest des Tages verwöhnen wir uns mit Dingen, die uns im Alltag fast selbstverständlich scheinen, auf dieser Reise aber eher die Ausnahme sind. Zuerst gönnt sich Daniela zum ersten Mal einen afrikanischen Coiffeurbesuch und anschliessend sehen wir uns den Film „Due Date“ in einem menschenleeren Kinosaal an. Selbstverständlich habe ich auch das Casino gleich neben dem Kino entdeckt und Daniela kann mich nicht davon abhalten, noch ein paar Namibische Dollar an den einarmigen Banditen zu verzocken. Wir runden den Abend noch mit Chicken Sweet and Sour im chinesischen Restaurant ab und fallen satt und glücklich ins breite Hotelzimmerbett.

 

Nachdem schon ein paar unserer Freunde versucht haben, uns mit Berichten über Snowboard-Ausflüge in den verschneiten Schweizer Bergen neidisch zu machen, gönnen wir uns hier das namibische Pendant dazu. Mit einer jungen Gruppe anderer Touristen fahren wir in die nahegelegenen Dünen, um das Sandboarding auszutesten. Wir werden mit handelsüblichen Snowboards ausgestattet und müssen schon ein wenig über das seltsame Bild von braungebrannten Touristen in Shorts und Trägershirts schmunzeln, wie sie in dicken Softboots in der Wüste stehen und ihre Boards wachsen. Wir werden in zwei Gruppen eingeteilt und erhalten eine kurze Instruktion. Daniela hat sich selbst der Anfängergruppe zugeordnet, was sie meiner Meinung nach natürlich nur tut, damit sie dort glänzen kann, während ich neben den Profis wohl eine eher wackelige Figur abgeben werde. Es läuft aber besser als erwartet, die erste Abfahrt überstehen wir beide sturzfrei, sind über das schnelle Tempo aber ziemlich überrascht. Sandboarden ist nicht völlig anders als auf der Schneeunterlage, man verkantet aber viel schneller. Das lerne ich bei meiner zweiten Abfahrt, als ich zu einer Sandpirouette ansetze, hängen bleibe und mich rückwärts überschlage. Der Hang ist so steil, das ich nicht gleich zum Stillstand komme und Rücken voran weiter purzle. Ich überstehe es sandgebadet, mit einer angeknacksten Schulter und einem steifen Hals. Aber weiter geht's! Daniela macht es den Anfängern nicht leicht und stürzt bei ihren Abfahrten nur ein einziges Mal. Trotzdem sehen wir anschliessend beide aus wie panierte Schnitzel.

 

Nach dem Sandboarden dürfen wir eine weitere Variante der Abfahrt ausprobieren. Das Sportgerät der Wahl ist dabei, wie soll ich besser beschreiben, eine Ikea-Billy-Regal-Rückwand. Diese wird eingewachst, bevor man sich bäuchlings darauf legt und Kopf voran die Düne runter rast. Mit einer Laserpistole wird dabei die Geschwindigkeit gemessen und Daniela erreicht imposante 72 Km/h, während ich einen Zähler darunter bleibe, so oft ich es auch versuche. Nach Danielas Meinung ist bestimmt mein Bierbauch daran schuld... Für diesen gibt's dann auch gleich etwas nach der letzten Abfahrt: Am Fusse der Düne verwöhnt man uns mit Getränken und Snacks à discrétion.

 

Zurück in Swakopmund wollen wir uns den Sand abwaschen, der an unserer Sonnencreme klebt und baden zum ersten mal hier im Atlantik. Der Sandstrand ist klein und steil abfallend, dennoch erinnert er an Badeferien irgendwo in Südfrankreich. Das Wasser ist mit rund 24 Grad gerade ungewöhnlich warm und wir spielen so lange mit den Wellen, bis die Sonne langsam untergeht und wir den Tag in einem italienischen Restaurant ausklingen lassen.

 

Der letzte Posten auf unserer Swakopmund-To-Do-Liste sind die neuen Reifen für unseren Toyota. Wir haben diese Erledigung etwas vor uns hergeschoben, aber heute müssen wir uns endlich damit auseinander setzen. Gegen 11:00 Uhr steuern wir den ersten Reifenhändler an und stellen bald fest, dass die gewünschten Reifen nicht so einfach zu kriegen sind wie wir dachten. Ausserdem merken wir plötzlich, dass heute Samstag ist und die Werkstätten um 12:00 Uhr schliessen. Wir haben noch knapp eine Stunde Zeit, wenn wir nicht nochmals ein Wochenende in Swakopmund bleiben und nicht auf die Reifen verzichten wollen. Auch der nächste Händler hat keine passenden Reifen an Lager, ist dafür aber sehr hilfsbereit und telefoniert einem dritten Werkstattbesitzer, der uns dann tatsächlich weiterhelfen kann. Zwar kriegen wir nicht genau die Reifen die wir wollen, aber immerhin sind sie für Schlamm- und Offroadpisten ausgelegt und haben deutlich mehr Profil als unsere alten. Obwohl es sich um eine wenig bekannte asiatische Marke handelt, entscheiden wir uns für den Kauf und hoffen einfach mal, dass sie zumindest bis zum Ende der Reise ihre Aufgabe erfüllen. Während zwei Angestellte sich an die Arbeit machen, nutzen wir die Zeit um unseren neuen High-Lift zu testen. Wir wollen sicher sein, dass wir unser Fahrzeug in Zukunft nicht mehr nur anheben sondern auch wieder sicher auf den Boden zurück bringen können. Kaum haben wir das Ding ausgepackt, steht auch schon einer der Mitarbeiter interessiert neben uns und möchte mithelfen. Die Ernüchterung folgt sogleich: Der Mechanismus geht problemlos rauf, runter aber nicht mehr. Der Hebel zum Umschalten bewegt sich keinen Millimeter. (Es ist übrigens nicht das selbe Problem wie bei unserem alten High-Lift, dort funktioniert dieser Hebel einfach nicht mehr). Während wir dann doch in der Anleitung nachschlagen, kommt schon der nächste Mechaniker und dann noch einer, schlussendlich gesellen sich auch noch der Besitzer und der Werkstattleiter dazu. Es ist ein lustiges Bild: Erst stellt sich einer nach dem anderen selbst auf den High-Lift, in der Meinung, dass Gewicht nötig sei, damit es funktionieren kann. Als dies nichts ändert, kommt man zum Schluss, dass es eben zu wenig Gewicht sei und der Besitzer fährt kurzerhand seinen Pickup vor, den wir jetzt hochheben. Runter geht's dann aber trotzdem noch immer nicht. Irgendwann ist für mich aber klar, dass das nur an diesem kleinen Hebel liegen kann, der wohl verklemmt ist und ich hole deshalb einfach einen Hammer, schlage einmal gezielt darauf und tatsächlich: der Pickup lässt sich so sanft runter hebeln wie Herbstlaub der Erde entgegen gleitet. Ha! Den Herren Mechanikern hab ich aber gezeigt, wo der Hammer hängt!

 

Vielleicht waren die neuen Reifen ja deshalb so verdammt teuer.

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